HÄUFIG GESTELLTE FRAGEN (FAQ)

DIE LEGALDEFINITION VON ÖKOZID


Einsehen kannst du den Kerntext der Definition von Ökozid mit Kommentar HIER.

Hier findest du die offizielle deutsche Übersetzung der Legaldefinition von Ökozid zur vorgeschlagenen Änderung des Römischen Statuts.

  • Warum listet die Definition keine bestimmten Handlungen auf? Sobald einige Handlungen als unerlaubte Handlungen aufgelistet werden, kann vorausgesetzt werden, dass andere Handlungen erlaubt sind. Daher wurde es als das Beste erachtet, die Definition stattdessen auf mögliche Folgen zu stützen – auf einen gewissen Grad an schweren Schäden. Auf diese Weise bleibt die Definition relevant, selbst wenn sich Praktiken ändern („zukunftssicher“).  

  • Deckt der Straftatbestand auch den Schaden an der Natur an sich ab? Ja, dem ist so. Einige Aspekte des Verbrechens beziehen sich auf den Menschen (ein mögliches Kriterium für „weitreichend“ ist, dass der Schaden „eine große Anzahl von Menschen“ betrifft), aber auch die Gefährdung eines Ökosystems oder die Gefährdung einer Art oder eines anderen Umweltbestandteils wird abgedeckt. Die Definition ist sowohl ökozentrisch als auch anthropozentrisch ausgerichtet.

  • Warum gibt es keine genauen Schwellenwerte für „weitreichend“ oder „langfristig“? Weil alle genauen Zahlen als willkürlich angesehen wurden und möglicherweise nicht zu den jeweiligen Umständen passen. Indem die Definitionen von „weitreichend“ und „langfristig“ einen gewissen Interpretationsspielraum offen lassen, können Richter:innen entsprechend eines Falls angemessene Schwellenwerte ermitteln.

  • Wird das Verbrechen Störungen indigener Lebensformen abdecken? Ja, dies kann es abdecken, sobald die Störung potenziell „schwer“ ist. Das ist der Zweck, der ausdrücklichen Aufnahme des Wortes „kulturell“ in die Definition des Begriffes „schwer“.

  • Welchen Grad an Vorsatz erfordert die Straftat? Der Aspekt des Vorsatzes (mens rea) der Straftat ist jener der Rücksichtslosigkeit* – der:die Täter:in handelte mit dem Wissen, dass eine „erhebliche Wahrscheinlichkeit“ eines schweren Schadens besteht, der aus seinem Verhalten resultiert, handelte aber trotzdem. Sofern die Handlung rechtswidrig war, ist das der einzige Test. Wenn das Verhalten rechtmäßig war, könnte es immer noch ein Umweltvergehen sein, wenn eine anderer Grad der Rücksichtslosigkeit vorliegt, d. h. die Handlung wurde „willkürlich“ begangen – der:die Täter:in hat nicht bedacht, dass das schädigende Ergebnis eindeutig im Vergleich zu dem erwarteten sozialen und wirtschaftlichen Nutzen übermäßig wäre. *siehe Kerntext/Kommentar: dolus eventualis

  • Auf wessen sozialen und wirtschaftlichen Nutzen bezieht sich die Definition von „willkürlich“? Dieser Begriff verwendet einen Ausgleichsansatz, der im Umweltrecht üblich ist, da viele menschliche Aktivitäten einen gewissen Grad an Naturschäden beinhalten. Die Frage ist, ob dieser Ausgleich in angemessener Weise berücksichtigt und vernünftig angegangen wurde und ob die schädigenden Auswirkungen den größeren Nutzen überwiegen? Ein Projekt könnte einer Person viel Geld einbringen und einigen wenigen Menschen zugute kommen, aber wenn der entstandene Schaden viele andere (z. B. lokale oder indigene Gemeinschaften) ernsthaft beschädigen oder Ökosysteme stören wird, könnte dieses Kriterium erfüllt sein.

  • Muss ein Schaden nachweislich stattgefunden haben, damit der Straftatbestand erfüllt ist?  Nein. Das Verbrechen ist als Gefährdung definiert, was bedeutet, dass Taten, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit von schweren und entweder weitreichenden oder langfristigen Schäden mit sich bringen, kriminalisiert werden, unabhängig davon, ob der Schaden bereits eingetreten ist. Dies ist vereinbar mit anderen Verbrechen im Römischen Statut und ist insbesondere für Verbrechen gegen die Natur angemessen, da der Schutz der Umwelt in der Praxis schwieriger ist, sobald die Voraussetzung besteht, dass sich der Schaden tatsächlich manifestiert haben muss, bevor eine Strafverfolgung möglich ist.

  • Wie wirkt sich die Verwendung des Begriffes „rechtswidrig“ als Kriterium auf ökozidale Handlungen aus? Eines der gravierendsten Probleme mit den derzeitigen Umweltgesetzen ist deren schwache Durchsetzung, sodass die Kriminalisierung der Zerstörung, die entweder nach nationalem oder internationalem Recht rechtswidrig ist, drei wichtige Dinge bewirkt:

    • 1. es ermutigt potentielle Täter:innen, die Sorgfaltspflicht (Due Diligence) in die richtige Richtung zu lenken, d. h. zu untersuchen, wie sie am besten auf der richtigen Seite des Gesetzes bleiben können, um das Begehen eines Ökozids zu vermeiden (anstatt Regulierungen mit geringer Angst vor Sanktionen zu umgehen);

    • 2. es befähigt all diejenigen, die sich für einen besseren Schutz der Menschen und des Planeten einsetzen –von Aktivist:innen vor Ort bis hin zu Akademiker:innen, Wissenschaftler:innen und NGOs –, es anzustreben, Informationen und Expertise bereitzustellen sowie Druck auf Regierungen zu erzeugen, um die Regulierung zu verbessern;

    • 3. es ermöglicht, dass das Verbrechen im Laufe der Zeit relevant bleibt – während sich die nationalen Gesetze weiterentwickeln, um die Natur besser zu schützen, bleibt Ökozid ein übergreifendes Verbrechen, das diese Entwicklungen umfasst und untermauert.

  • Könnte dieses Verbrechen durch einzelne Regierungen etabliert werden? Auf jeden Fall! Die Definition des Verbrechens ist so formuliert, dass sie in das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hineinpasst. Sobald das Gesetz in Kraft ist, muss jeder Staat, der das Verbrechen vor diesem ratifiziert, es in sein eigenes innerstaatliches Strafrecht aufnehmen. Es spricht jedoch nichts dagegen, dass die Definition von jeder Regierung angewendet wird, die eine Vorreiterrolle übernehmen möchte, oder von Regierungen, die derzeit nicht Mitglied des IStGH sind. (Wir würden jedoch einen Einführungszeitraum (Phasing-in-Period) empfehlen, wenn die Gesetzgebung in einem einzelnen Staat erlassen wird, um die Einführung von Übergangsrichtlinien und Konformitätspfaden (Compliance-Pfaden) zu ermöglichen.)

  • Werden Unternehmen die Etablierung dieses Verbrechens zu verhindern versuchen? Es erwägen vielleicht einige, aber unsere bisherigen Gespräche mit Unternehmensführer:innen lassen bisher weitgehend auf positive Resonanz schließen. Eine durchsetzbare Abschreckung wird effektiv dazu beitragen, Wettbewerbsgleichheit zu schaffen, sodass Unternehmen, die das Richtige tun, nicht mehr benachteiligt werden. Tatsächlich wird dies wahrscheinlich ein neues Maß an Innovationen und Kreativität freisetzen sowie auch die staatlichen Subventionen in eine gesündere Richtung lenken. Viele der Lösungen, die wir für den Übergang zu einem stabilen Planeten benötigen, existieren bereits oder befinden sich in der Entwicklung. Dieses Gesetz wird sie nachdrücklich unterstützen, indem es verhindert, dass Finanzmittel in Praktiken fließen, die schweren Schaden verursachen.