Europäisches Parlament schlägt Aufnahme von „Ökozid“ in EU-Recht vor

Nach einer bahnbrechenden einstimmigen Abstimmung im Rechtsausschuss hat das Europäische Parlament heute seine Unterstützung für die Aufnahme von „Ökozid“ in die überarbeitete EU-Richtlinie zur Umweltkriminalität angekündigt.

Am vergangenen Dienstag, dem 21. März, stimmte der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments einstimmig dafür, die schwersten Umweltverbrechen – weithin als „Ökozid“ bekannt – nach EU-Recht unter Strafe zu stellen¹.

Heute hat das Europäische Parlament in seiner monatlichen Plenarsitzung offiziell erklärt, die Aufnahme von unter den Ökozid fallenden Straftaten in die überarbeitete EU-Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt zu unterstützen.

„Es ist überaus ermutigend, dass das Europäische Parlament das Konzept des Ökozids ernst nimmt. Wie beim Völkermord und den Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Jahr 1945 ist die Welt heute kollektiv mit einer neuen Art von Bedrohung konfrontiert: schwerwiegende und weitreichende oder langfristige Schäden an der Umwelt, die gegen bestehende rechtliche Verpflichtungen verstoßen und unter das neu entstehende Konzept des Ökozids fallen. Dies ist ein äußerst bedeutsamer erster Schritt, da die EU eine führende Rolle dabei spielen möchte, Europa und die Welt in eine umweltverträglichere Zukunft zu führen.“ — Professor Philippe Sands KC, internationaler Anwalt und Autor, Co-Vorsitzender des unabhängigen Expertengremiums² für die rechtliche Definition von Ökozid

„Die ökologische Situation des Planeten ist mehr als kritisch. Wir brauchen eine neue Ära der Rechtsprechung. Das Europäische Parlament hat dies mit großer Klarheit erkannt, indem es die Mitgliedstaaten verpflichtete, Ökozid anzuerkennen. Jeder Staat muss nun entscheiden, wie er hierzu steht. Wir haben gesagt, dass ein anderes Europa möglich ist. Nun, hier ist der Beweis dafür, dass sich der Kampf der Grünen auszahlt. Wir werden alles tun, um diesen Sieg zu konsolidieren und wirksam zu machen. Ökozid ist ein wesentliches und revolutionäres Rechtsinstrument zum Schutz der Umwelt.“ — Marie Toussaint, MdEP (Grüne/EFA)

„Es ist an der Zeit und völlig angemessen, dass das EU-Parlament die Aufnahme von unter den Ökozid fallenden Straftaten in die überarbeitete Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt unterstützt. Wir gratulieren dem Parlament dazu, dem zugestimmt zu haben und glauben, dass dieser Schritt einen historischen Wendepunkt in unserer Beziehung zum Planeten einläuten könnte. Das EU-Parlament hat heute Führungsstärke, Weitsicht und auch Solidarität mit den vielen Ländern und gesellschaftlichen Gruppen gezeigt, die vermehrt Risiken ausgesetzt sind und unter den Auswirkungen von Ökozid leiden. Wir vertrauen darauf, dass alle EU-Behörden diesen Text als besonders wertvoll anerkennen und in das EU-Recht aufnehmen werden.“ — Jojo Mehta, Geschäftsführerin, Stop Ecocide International

Der vorgeschlagene Text kommt sprachlich der internationalen Konsensdefinition von Ökozid (Juni 2021) sehr nahe, die vom unabhängigen Expertengremium (IEP) der Stop Ecocide Foundation vorgeschlagen wurde. Der Text enthält eine spezifische Definition der „schwersten Straftaten“ unter Breücksichtigung der im IEP-Entwurf verwendeten Schadensmerkmale: „schwerwiegend und entweder weitläufig oder langfristig oder irreversibel“ (wobei die entsprechenden Definitionen dieser Begriffe* sich ebenfalls eng an die im IEP-Entwurf verwendeten anlehnen). Der Vorschlag verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass diese schwersten Verbrechen in ihren Rechtssystemen entsprechend geahndet werden.

Das Wort „Ökozid“ wird ausdrücklich im Erwägungsgrund** (Präambel) der vorgeschlagenen Richtlinie verwendet, wo es mit den gleichen Merkmalen schwerwiegender und entweder weitläufiger oder langfristiger oder irreversibler Schäden in Verbindung gebracht wird.

Dies ist das erste Mal, dass eine solche Definition in einen Gesetzestext auf europäischer Ebene aufgenommen wurde. Als letzten Schritt zur endgültigen Anerkennung von „Ökozid“ im europäischen Recht bedarf es noch der Zustimmung des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission zu dem vom Parlament vorgeschlagenen Standpunkt. In den kommenden Monaten werden sich Vertreter dieser drei Institutionen in einen Konsultationsprozess begeben, der als „Trilog³“-Verhandlungen bezeichnet wird.

Die Anerkennung von „Ökozid“ auf der Ebene der Europäischen Union wäre von globaler Bedeutung: Alle EU-Mitgliedstaaten wären verpflichtet, die Schaffung dieses neuen Verbrechenstatbestands in innerstaatliches Recht umzusetzen. Da über 20% der Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs EU-Staaten sind, wäre dies ein entscheidender Schritt zur internationalen Anerkennung des „Ökozids“ als Verbrechen.



*Artikel 2 (Definitionen)

„Schwerwiegend“ im Sinne von Artikel 3 Absatz 1a ist ein Schaden, der sehr gravierende Verschlechterungen, Störungen oder Schäden an jeglichen Bestandteilen der Umwelt mit sich bringt, einschließlich schwerwiegender Auswirkungen auf menschliches Leben oder natürliche Ressourcen; 


„Weitläufig“ im Sinne von Artikel 3 Absatz 1a ist ein Schaden, der über ein begrenztes geografisches Gebiet hinausgeht, Staatsgrenzen überschreitet, oder ein ganzes Ökosystem, eine ganze Art oder eine große Zahl von Menschen betrifft; 


„Langfristig“ im Sinne von Artikel 3 Absatz 1a ist ein Schaden, der nicht innerhalb einer angemessenen Frist durch natürliche Erholungsprozesse behoben werden kann; 


Artikel 3 (Straftaten) 

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jedes Verhalten, das schwerwiegende und entweder weitläufige oder langfristige oder irreversible Schäden verursacht, als Straftat von besonderer Schwere behandelt und als solche gemäß den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten geahndet wird. 


**Erwägungsgrund (mit Ökozid) 

Wenn eine Umweltstraftat schwerwiegende und weitläufige oder langfristige oder irreversible Schäden an der Luft-, Boden- oder Wasserqualität oder an der biologischen Vielfalt, an Ökosystemleistungen und -funktionen sowie an Tieren oder Pflanzen verursacht, sollte dies als Verbrechen von besonderer Schwere betrachtet und als solches gemäß den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten geahndet werden, einschließlich des Ökozids, für den die Vereinten Nationen derzeit an einer offiziellen internationalen Definition arbeiten.

  1. https://www.stopecocide.earth/breaking-news-2023/eu-unanimous-vote-in-legal-committee-to-recognize-ecocide-level-crimes

  2. https://www.stopecocide.earth/legal-definition

  3. https://eur-lex.europa.eu/EN/legal-content/glossary/trilogue.html