ÖKOZID – mehr als nur ein Wort

ÖKOZID – mehr als nur ein Wort

Das Wort ÖKOZID beschreibt, wie wir mit unseren Planeten umgehen: die massive Schädigung und Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen und Ökosysteme. Es bedeutet buchstäblich: „sein Zuhause töten“.

Öko steht für die Kurzform von Ökologie (biologische Wechselbeziehungen). Das Suffix -zid bezeichnet eine Tötungshandlung, zum Teil in übertragener Bedeutung. Beispiele sind: Femizid, Genozid, Homizid, Infantizid, Suizid, usw.

Allerdings wird der Begriff des ÖKOZIDS nicht nur von jüdischen Gemeinden, sondern auch von deutschen Politiker:innen kritisiert: Alle auch nur irgendwie entfernt anklingenden Relativierungen des Holocaust seien hoch problematisch, da sie von der Schuld für dieses fürchterliche Verbrechen ablenken könnten und damit die Wahrnehmung von Verantwortung für das Leben von Jüdinnen und Juden, der Existenz des Staates Israel und des Kampfes gegen Antisemitismus schwächten. Aus diesem Grund gebe es auch Kritik am Begriff des Ökozids, der ausdrücklich vor dem Hintergrund des Genozids gebildet worden sei.

Als Tochter eines Holocaust-Überlebenden teile ich diese Ansicht in keiner Weise.

Mein Vater, ein jüdischer Belgier, im Oktober 1911 geboren, verbrachte lange Zeit in Kriegsgefangenschaft im Konzentrationslager. Da er seinen mosaischen Pass nicht bei sich trug, wurde er nicht als Jude erkannt. Aufgrund seiner vielfältigen Sprachkenntnisse wurde er als Dolmetscher eingesetzt. 1943 konnte er fliehen und wurde in Österreich von Bauern bis Kriegsende versteckt gehalten. Er schloss sich den Amerikanern an und war bei der Befreiung des KZs Mauthausen in Österreich dabei, und er hat Schreckliches, Unvorstellbares gesehen. Danach begab er sich zusammen mit Simon Wiesenthal auf Nazi-Jagd. Insgesamt wurden 13 Angehörige meines Vaters in Auschwitz und Treblinka vergast. Bei den Nürnberger Prozessen hatte mein Vater, ein Überlebender, als Dolmetscher mitgewirkt.

Am 27.01.24 - Internationaler Holocaust Gedenktag - hielt ich in unserer Gemeinde Seevetal vor dem Rathaus eine selbstgeschriebene Rede gegen Antisemitismus vor etwa 130 Bürger:innen.

Aus meiner Sicht ist der Begriff ÖKOZID perfekt. Aus etymologischer Sicht spricht, dass er auffällig ist. Es ist das vorgeschlagene Verbrechen des ÖKOZIDS, das öffentliches und politisches Interesse und Leidenschaft geweckt hat, während dies bei kraftlosen Bezeichnungen nicht der Fall war. Der Begriff ÖKOZID weckt Emotionen und lenkt die Aufmerksamkeit auf sich. Es ist ein kraftvoller, schlagkräftiger Ausdruck. Das Suffix -zid symbolisiert etwas Endgültiges und klingt brutal. Und genau das ist ÖKOZID – brutal, denn der Begriff bedeutet: die massive Schädigung und Zerstörung unserer Umwelt und lebensnotwendiger Ökosysteme. ÖKOZIDE sind eine wesentliche Ursache der Klima- und Umweltkrise (Erderhitzung und Biodiversitätsverlust). Ich kann mir keinen anderen passenden Begriff vorstellen, der mit einem Wort diese Kernaussage erfasst.

Und deshalb benötigen wir ein starkes „ÖKOZID“-Gesetz. Umweltrecht dient primär dem Schutz der Umwelt und in weiterer Konsequenz der Überlebenssicherung des Menschen durch die Erhaltung von lebensnotwendigen Ökosystemen. Die Ausdrucksfunktion einer Bezeichnung ist eine legitime Überlegung. Und eine wichtige Funktion des Strafrechts ist die „Botschaft“, die wir mit ÖKOZID verbinden. 

Niemals habe ich das Wort ÖKOZID mit Antisemitismus oder Diskriminierung in Verbindung gebracht. Ganz im Gegenteil, wenn ÖKOZID als internationales Verbrechen im Römischen Statut aufgenommen werden würde, wäre das eine riesige Chance für die Menschheit – und damit meine ich selbstverständlich ALLE Menschen – auf eine lebenswerte Zukunft.

Abschließend möchte ich noch an alle Zweifler:innen appellieren: macht euren Kopf frei und konzentriert euch auf den positiven Kern unserer Bewegung STOP ECOCIDE, anstatt antisemitische oder rassistische Tendenzen in dem Begriff ÖKOZID zu sehen!


Viviane Fux, 28.03.24